Eines der grundlegenden Muster digitaler Geschäftsmodelle ist das sogenannte Two-sided Business Modell, oft auch synonym als Multi-sided Business Model bezeichnet. Aus Sicht der Autoren des Business Model Canvas und auch des St. Gallener Business Model Navigator ist das Multi-sided Modell ein digitales Geschäftsmodellmuster gleichwertig neben anderen Mustern (Osterwalder/Pigneur 2011; S. 80 ff; Gassman et al. 2013; S. 244), während der Grundgedanke der Multi-sided Business Models eine wesentliche Rolle bei der Gestaltung des DVC Frameworks spielt (Hoffmeister 2017, S. 60).
Hinter dem Muster liegt das ökonomisches Konzept zweiseitiger Märkte. Bei zweiseitigen Märkten hängt der Erfolg des Geschäftsmodells von der Existenz zweier verschiedener aber voneinander abhängigen Kundengruppen ab. Eng mit diesem Konzept verbunden, sind die sogenannten direkte Netzwerkeffekte. Netzwerkeffekte liegen vor, wenn der wahrgenommene Wert einer Leistung mit der (zu erwartenden) Anzahl der Netzwerkteilnehmer steigt. Von zweiseitigen Märkten wird immer dann gesprochen, wenn auf einer Plattform zwei Nutzergruppen zusammenkommen und die Transaktionen, also die Austauschbeziehungen zwischen beiden Nutzergruppen über die Plattform abgewickelt werden und der Nutzen der einen Kundengruppe von der Anzahl der anderen Kundengruppe abhängt und umgekehrt.
Nur wenn an beiden Seiten eine kritische Masse an Teilnehmern erzielt wird, kann das Modell erfolgreich betrieben werden. Damit besteht einer der wesentlichen Aufgaben des Plattformbetreibers darin, die Nutzergruppen zu skalieren, so dass die Plattform nicht an Attraktivität für eine Gruppe verliert, denn sonst kann das Modell als Ganzes nicht funktionieren. Empirisch kann gezeigt werden, dass ein Großteil erfolgreicher digitaler Geschäftsmodelle auf diesem Muster basiert u.a. Immoscout24.de, stepstone.de, lieferando.de, mobile.de, soundcloud.com, booking.com, myTaxi, UBER, Airbnb, Youtube oder auch eBay sowie opentable.de
Dieses Modell lässt sich mit dem DVC Framework sehr gut darstellen, denn dort ist es möglich verschiedene Gruppen mit verschiedenen Leistungen an einer Plattform zu platzieren und die jeweils spezifischen aber dennoch verbundenen Leistungen und Gegenleistungen zu beschreiben. Bildet man zwei-seitige Geschäftsmodelle ab, muss berücksichtigt werden, dass jede Kunden- oder Performancegruppe spezifische Leistungen erhalten und auch spezifische Gegenleistungen (Gratifikationen) erbringen muss (siehe Abbildung 3 am Beispiel YouTube). In einer idealen Modellierung hängen die Leistungen und Gegenleistungen der jeweiligen Gruppen voneinander ab.
In dem gezeigten Beispiel steht die Plattform "YouTube" zwischen den beiden Gruppen Videoseher und Video Uploader. Dabei bietet die Plattform den "Videosehern" schnelles und einfaches Suchen und Ansehen von Videos passend zu den eigenen Interessen an. Durch diese Leistung erhält YouTube Traffic auf Videos und Interaktionen zu diesen (in dem Framework sind das die Gratifikationen). Diese werden wiederum zu relevanten Leistungen für die Video Uploader, die Traffic und Aufmerksamkeit von der Plattform YouTube erhalten. Dafür müssen sie die Verwertung- und Vermarktungsrechte an den Videos an YouTube geben, die dann mit einem gekoppelten Vermarktungsmodell Geld verdienen (das ist in dem Bild nicht berücksichtigt).
Geschäftsmodelle beschreiben daher immer einen logischen Austausch von Leistung und Gegenleistung über digitale Plattformen hinweg. Über Schnittstellen (API) können die Modelle beliebig erweitert werden.
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